Notizen

50 JAHRE STREETPHOTOGRAPHY

Schon während meines Studiums an der Folkwang-Schule in Essen bei Professor Steinert zog es mich auf die Straße. Um in New York fotografieren zu können, arbeitete ich 1973 als Sandstrahler im Hamburger Hafen. Die „Streetphotography“ von dort konnte ich in meiner ersten Ausstellung in der Galerie der Hamburger Landesbildstelle bei Professor Kempe zeigen.  Bei meiner späteren Tätigkeit als freiberuflicher Magazinfotograf hat es mich immer gereizt – unabhängig von Aufträgen und Themen – durch Städte zu flanieren und Eindrücke und Erlebnisse mit der Kamera spontan festzuhalten.
Jetzt bin ich seit 50 Jahren als „Streetphotographer“ unterwegs, am liebsten ganz „frei“ ohne andere Aufgaben.

IN DER Stadt

Wenn ich in eine unbekannte Stadt komme, fühle ich mich meist ziemlich verloren, insbesondere natürlich in den Megacities von heute. 
Es treibt mich sofort raus auf die Straßen, die Kamera in der Hand. Ich beobachte, was um mich herum passiert, drücke blitzschnell auf den Auslöser, gehe weiter. Ohne viel nachzudenken.
Manchmal setze ich mich auch an den Straßenrand, auf eine Bank oder in ein Café und fange von da das Geschehen fotografisch ein. Das Verlorenheitsgefühl vergeht, wachsam und zugleich gespannt lebe ich nur in der Gegenwart, nehme das Flair des Ortes und das seiner Menschen auf. Allerdings kann ich so nie länger als eine Woche, höchstens zwei Wochen unterwegs sein. Dann sehe nichts mehr, meine Augen schließen sich – aus visueller Überreizung. Später am Leuchttisch, heute am Computer sortiere ich die Fotos, von hunderten von Aufnahmen bleiben wenige „interessante“ übrig.

Auf der Bank

Entwickelt hat sich mein Interesse, Menschen auf Parkbänken zu fotografieren. Wo auf den Straßen alle allein, zu zweit, in Gruppen unterwegs sind, mit oder ohne Ziel, gehen, eilen, drängeln, etwas transportieren, immer in Bewegung, finden die Leute sich „auf der Bank“ für einen Moment des Innehaltens ein, für ein Ausruhen, vielleicht um zu beobachten, zu essen, zu lesen, zu telefonieren. Auch in den öffentlichen Verkehrsmitteln, in Bussen und U-Bahnen und an Stränden fotografiere ich aus diesem Grunde gerne und regelmäßig. Es gibt verschiedene Orte im öffentlichen Raum für meine „Streetphotography“. In Shanghai und in Berlin habe ich für meine Straßenfotografie Hilfsmittel verwendet. Einmal einen Spiegel, ein anderes Mal eine Leinwand,  vor die ich Menschen porträtierte – wie z.B. August Sander zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Unterwegs komme ich häufig mit Menschen ins Gespräch, kurz und manchmal länger, im digitalen Zeitalter kann ich ihnen die Fotos zeigen. Meistens freuen sie sich, wenn nicht, lösche ich die Aufnahmen natürlich sofort. Einmal hat sich aus einer Begegnung sogar eine langjährige Freundschaft entwickelt. Aber das ist eine Ausnahme. 

Achim Sperber